Demo­kra­tie | Respekt | Wahr­heit: Wege zu einem neu­en digi­ta­len Mit­ein­an­der – Marina Weisband, Prof. Dr. Frank Überall, Hermann Josef Schmidt und Kathrin Aue

05.05.2021, ein Beitrag von

nläss­lich des Inter­na­tio­na­len Tages der Pres­se­frei­heit hat­ten der Saar­län­di­sche Jour­na­lis­ten­ver­band (SJV), die Siebenpfeiffer-Stiftung und die Lan­des­me­di­en­an­stalt Saar­land (LMS) am 2. Mai zur Online-Matinée „Demo­kra­tie — Respekt — Wahr­heit – Wege zu einem neu­en digi­ta­len Mit­ein­an­der“ eingeladen.

Medi­en­schaf­fen­de und Per­so­nen des öffent­li­chen Lebens sind zuneh­mend Angrif­fen und Bedro­hun­gen aus­ge­setzt. Hass und Het­ze sind sowohl bei der Aus­übung jour­na­lis­ti­scher Arbeit als auch bei poli­ti­schem Enga­ge­ment an der Tages­ord­nung. „Die zuneh­men­de Gewalt gegen Jour­na­lis­tin­nen und Jour­na­lis­ten bedroht auch die Pres­se­frei­heit in Deutsch­land“, erklärt Ulli Wag­ner, die Vor­sit­zen­de des Saar­län­di­schen Jour­na­lis­ten­ver­bands. Gera­de erst wur­de die Lage der Pres­se­frei­heit in Deutsch­land durch die Orga­ni­sa­ti­on „Repor­ter ohne Gren­zen“ von „gut“ auf „zufrie­den­stel­lend“ herabgestuft.

LMS-Direktorin Ruth Mey­er beton­te in ihrem Gruß­wort, dass es den Ver­an­stal­tern ein gro­ßes Anlie­gen ist, das öffent­li­che Bewusst­sein für Hate­Speech, Des­in­for­ma­ti­on und die Ver­ro­hung des öffent­li­chen Dis­kur­ses zu schär­fen. Es gel­te, eine Kul­tur der Aner­ken­nung, des Respekts und der Men­schen­wür­de auch in der Welt der digi­ta­len Medi­en zu schüt­zen und zu prak­ti­zie­ren. „Mit die­ser Ver­an­stal­tung möch­ten wir den­je­ni­gen dan­ken, die sich durch ihre jour­na­lis­ti­sche und poli­ti­sche Arbeit tag­täg­lich für ein demo­kra­ti­sches Sys­tem der Frei­heit ein­set­zen. Las­sen Sie sich durch Hass und Het­ze, Belei­di­gun­gen oder Bedro­hun­gen nicht ent­mu­ti­gen – wir ste­hen an Ihrer Sei­te für ein frei­heit­li­ches und respekt­vol­les digi­ta­les Miteinander.“

In der ein­stün­di­gen Online-Matinée, mode­riert von Kat­rin Aue (SJV), dis­ku­tier­ten die Panelteilnehmer:innen Mari­na Weis­band (Betei­li­gungs­päd­ago­gin), Prof. Dr. Frank Über­all (Vor­sit­zen­der des Deut­schen Jour­na­lis­ten­ver­bands) und Her­mann Josef Schmidt (Prä­si­dent des Saar­län­di­schen Städte- und Gemein­de­ta­ges) den Wert von Jour­na­lis­mus und gesell­schaft­li­chem Engagement.

Mari­na Weis­band pos­tu­lier­te, dass sozia­le Platt­for­men kei­ne demo­kra­ti­schen Platt­for­men, son­dern Wer­be­platt­for­men sei­en, die Men­schen den­noch einen Weg eröff­ne­ten, in Kon­takt zu tre­ten. Um der Flut der Hass-Kommentare über­haupt rea­lis­tisch begeg­nen zu kön­nen, gel­te es Algo­rith­men trans­pa­rent zu gestal­ten, mensch­li­che Kon­troll­in­stan­zen zu ver­stär­ken sowie wirk­sa­me Wider­spruchs­me­cha­nis­men wie “Gegen­re­de” zu eta­blie­ren. Sie erklär­te, das Inter­net sei nur ein Kon­den­sa­tor für die Wahr­neh­mung von Hass und Het­ze in unse­rer Gesell­schaft. Hass gehe von rea­len Men­schen aus, Selbst­wirk­sam­keit sei hier der wich­tigs­te Hebel, gegen zu steu­ern. “Men­schen müs­sen wie­der stär­ker in die Ver­ant­wor­tung genom­men wer­den, um in Gestaltungs- und Ent­schei­dungs­pro­zes­se ein­ge­bun­den zu sein.”

Her­mann Josef Schmidt unter­mau­er­te, durch die Coro­na­kri­se hät­ten sich Hass und Het­ze gera­de gegen­über Kommunalpolitiker:innen im Netz ver­stärkt. Es dro­he ein Ver­lust der loka­len Demo­kra­tie: “Kom­mu­nal­po­li­tik als Maschi­nen­raum der Demo­kra­tie muss gestärkt wer­den.” Er sprach sich für mehr Soli­da­ri­tät aus und den Mut, im kon­kre­ten Fall Anzei­ge zu erstat­ten auch gera­de mit Blick auf das neue Gesetz gegen Hass­kri­mi­na­li­tät. Außer­dem sei bereits im jun­gen Alter Medi­en­er­zie­hung enorm wich­tig, die sowohl das hand­werk­li­che Rüst­zeug als auch psy­cho­so­zia­le Aspek­te mit einbeziehe.

Frank Über­all setz­te sich für Medi­en­kom­pe­tenz als Demo­kra­tie­för­de­rung ein: “Medi­en­kom­pe­tenz ist ein Lebens­the­ma. Dabei ist wich­tig, sich auch als Journalist:in immer wie­der in Fra­ge zu stel­len: Wie nut­ze ich Medi­en, wie mache ich Medi­en, wie bin ich zugäng­lich und kann Men­schen mit­neh­men?” Die Situa­ti­on für Journalist:innen im Netz habe sich sehr auf­ge­heizt, man füh­le sich viel­fach bedroht. Alle Medi­en­un­ter­neh­men sei­en in der Pflicht, sich Schutz­kon­zep­te für Medi­en­schaf­fen­de zu über­le­gen und The­men wie Hass und Het­ze nicht an den Rand zu drängen.

Mit Blick auf die inhalt­li­chen Schwer­punk­te der Ver­an­stal­tung ent­wi­ckel­ten die Diskussionsteilnehmer:innen gemein­sam mit den Ver­an­stal­tern „Leit­plan­ken für ein neu­es digi­ta­les Mit­ein­an­der“. Digi­ta­li­sie­rung ver­än­dert, wie wir uns infor­mie­ren, kom­mu­ni­zie­ren und kon­su­mie­ren. Durch ihr Poten­ti­al, Men­schen zu ver­net­zen und Infor­ma­tio­nen in zuvor unvor­stell­ba­ren Men­gen ver­füg­bar zu machen, birgt die Digi­ta­li­sie­rung enor­me Chan­cen. Digi­ta­li­sie­rung ist aber auch eine enor­me Her­aus­for­de­rung, gesamt­ge­sell­schaft­lich und für jeden Ein­zel­nen und jede Ein­zel­ne von uns.

Wenn Digi­ta­li­sie­rung inklu­siv gestal­tet sein soll, dann müs­sen wir:

  • Medi­en­bil­dung fördern,
  • einen Dis­kurs initiieren,
  • Zivil­cou­ra­ge zei­gen und Gegen­re­de intensivieren,
  • uns ver­net­zen.

Ins­be­son­de­re müs­sen wir Hass und Het­ze im Netz:

  • the­ma­ti­sie­ren,
  • anzei­gen,
  • öffent­lich machen statt verschweigen,
  • ver­fol­gen statt „nur Löschen“
  • sowie die dadurch Bedroh­ten bes­ser schüt­zen, die Ermitt­lungs­ar­beit aus­wei­ten und Regu­lie­rung stärken.

Dr. Theo­phil Gal­lo, Vor­sit­zen­der der Siebenpfeiffer-Stiftung, fass­te die Dis­kus­si­on zusam­men: „Demo­kra­tie lebt vom Streit, von der Dis­kus­si­on um den rich­ti­gen Weg. Respekt vor der Mei­nung des ande­ren ist dabei Grund­vor­aus­set­zung. Unse­re Auf­ga­be, unser Auf­trag ist es, zu die­ser Pro­ble­ma­tik eine Art Gebrauchs­an­wei­sung zu ent­wi­ckeln, in der Respekt, Wahr­heit und demo­kra­ti­sche Grund­sät­ze das selbst­ver­ständ­li­che Fun­da­ment jed­we­der Kom­mu­ni­ka­ti­on dar­stel­len – wir brau­chen einen all­ge­mein aner­kann­ten Kon­sens über unse­rem Umgang mit­ein­an­der“. Nicht alles was tech­nisch mög­lich sei, sei auch erlaubt oder ange­mes­sen. Gal­lo erin­ner­te in die­sem Zusam­men­hang an den Satz von Wil­li Graf, wonach „jeder ein­zel­ne die gan­ze Ver­ant­wor­tung trägt“. Was der von den Nazis hin­ge­rich­te­te Wider­stands­kämp­fer damals zum Aus­druck gebracht habe, sei auch ange­sichts der gegen­wär­ti­gen Pro­ble­me aktu­ell. Dass jeder Ver­ant­wor­tung trägt, dafür müs­se das Bewusst­sein geschärft wer­den – zum Bei­spiel durch die Ver­mitt­lung von „Medi­en­kom­pe­tenz“, aber auch durch „Bil­dung gegen Verrohung“.