Digitalisierung und Demokratie

21.03.2022, ein Beitrag von

Bericht der LMS an Landtag und Landesregierung zur Entwicklung der Medienvielfalt im Saarland 2020

Freiheit und Vielfalt von Meinungen und Medien sowie gesamtgesellschaftliches Gemeinwohl und Demokratie stehen in einem engen Sach- und Wirkungszusammenhang. Auf nationaler und europäischer Ebene wird die Sicherung von Medienvielfalt als einer elementaren Voraussetzung der Meinungsfreiheit in demokratischen Zivilgesellschaften schon seit Jahrzehnten und in jüngster Zeit nochmals zunehmend thematisiert. Es ist mit Blick auf mediale Entwicklungstendenzen im Zuge von Digitalisierung, Europäisierung und Globalisierung offenkundig, dass die Selbststeuerungskräfte eines wettbewerblichen Auswahl- und Entdeckungsverfahrens zum Zwecke der angestrebten Sicherung von Vielfalt im Medienbereich zwar fruchtbar gemacht werden können, allerdings hierzu kein hinreichendes Instrumentarium bieten. Ebenso wie es zur Feststellung von Gefährdungen der Vielfalt einer interdisziplinären, ökonomische, technologische und gesellschaftliche Herausforderungen für Medien- und Meinungsvielfalt einbeziehenden Analyse bedarf, erscheint auch nur ein regulatorischer Ordnungsrahmen, der in seiner Entwicklung einer interdisziplinären Folgenabschätzung unterlag, geeignet, Medien- und Meinungsvielfalt nachhaltig zu sichern.

Vor diesem Hintergrund zeigt der vorliegende Bericht zum einen den aktuellen Stand der audiovisuellen Medienvielfalt im Saarland unter programmlichem und gesellschaftsrechtlichem Blickwinkel auf. Da mediale Vielfalt ihre demokratische Bedeutung nur dann entfalten kann, wenn sie auch nutzerorientiert wirkmächtig ist, finden im Bericht auch aktuelles Nutzungsverhalten von audiovisuellen Medien im Saarland wie Entwicklungstendenzen im Nutzungsverhalten bundesweit Berücksichtigung. Der Bericht befasst sich darüber hinausreichend nicht nur mit den unions-, verfassungs-, bundes- und landesrechtlichen Rahmenbedingungen einschließlich der interföderal-staatsvertraglichen Regulierungen bestehender Vielfaltssicherung und ihrer Fortentwicklung zur Abwehr drohender Gefährdungslagen. Er zeigt vielmehr auch beispielhaft auf, wo sich bereits heute auf der Grundlage ökonomischer und technologischer und gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen solche Gefährdungslagen in einer Weise abzeichnen, dass der zur Vielfaltssicherung berufene Gesetzgeber berechtigt (wenn auch ggf. noch nicht verpflichtet) ist, i.S. einer Pluralismusprophylaxe regulierend vielfaltsgefährdenden Fehlentwicklungen entgegenzutreten. Die vom Gesetzgeber aufgezeigten Berichtsschwerpunkte erweisen sich insofern als auf der Höhe der Herausforderungen befindlicher Themenkatalog. Der Bericht wird insoweit durch konkrete Regulierungsvorschläge für Änderungen auf EU-, Bundes-, interföderaler und Landesebene
abgerundet.

Nach dem Ergebnis der Programmanalyse 2021 der LMS weist das Saarland in der Gesamtschau eine vielfältige private Radiolandschaft mit landesweit, regional und lokal tätigen Sendern auf. Eine Analyse der geografischen Bezüge von Programminhalten ergibt überdies, dass insgesamt eine flächendeckende Versorgung mit informierenden Wortbeiträgen gegeben ist. Im intermediären Vergleich mit der regionalen Tagespresse beweist der private Hörfunk seinen Wert zur Erhöhung der Informationsvielfalt. Der Hörfunk setzt andere thematische Schwerpunkte als die Zeitung und stärkt besonders die Hard News-Berichterstattung der Region. Auch bezüglich der musikalischen Vielfalt kann eine sehr gute Abdeckung aller Genres und Zielgruppen für das Saarland konstatiert werden.

In Bezug auf analogen UKW-Hörfunk spricht sich die LMS für eine gesetzgeberische Klarstellung aus, dass auch der Abbau bzw. die Vermeidung von Doppelversorgungen bei Zuweisungsverfahren des Medienrates der LMS auswahlrelevant sein können. Auch verbesserte Möglichkeiten der Bildung von Frequenzketten für private Anbieter mit landesweitem programmlichem Anspruch können einen zusätzlichen Vielfaltsbeitrag im Saarland leisten. Im Rahmen der Verfügbarkeit von Übertragungskapazitäten sollte eine möglichst flächendeckende Versorgung mit Lokalradioangeboten angestrebt werden. Es empfiehlt sich dies auch in den Aufgabenkatalog der LMS zur Sicherung der Meinungsvielfalt analog zu landesweiten Hörfunk- und Fernsehangeboten aufzunehmen (§ 50 SMG).

Für die Ausstrahlung eines privaten Hörfunkprogramms benötigt ein Veranstalter zum einen eine medienrechtliche Zulassung, zum anderen entsprechende Übertragungskapazitäten. Die Zulassung ist in der Regel ein rein formales Verfahren, Übertragungskapazitäten sind jedoch, zumindest was UKW-Frequenzen betrifft, Mangelware. Die Landesmedienanstalt Saarland wird daher auch weiter darauf hin, dass zusätzliche Kapazitäten für das Saarland verfügbar gemacht werden und Doppelversorgungen abgebaut werden.

Die Zukunft des Hörfunks und seine Wettbewerbssituation werden wesentlich abhängen von der Entwicklung des Digitalradios im Standard DAB+. Die LMS setzt sich seit Jahren und zunehmend erfolgreich ein für die Entwicklung des Digitalradios – auch in der föderalen Zusammenarbeit in den Gremien und Kommissionen der Landesmedienanstalten. Der inzwischen erreichte Vielfaltsbeitrag von DAB+ im Saarland ist erheblich – sowohl über zwei bundesweite DAB+ -Multiplexe als auch über einen privaten landesweiten Multiplex neben dem Multiplex des SR.

Die LMS befürwortet ein frühzeitiges Bemühen um die Entwicklung eines interregionalen Digitalradio-Multiplexes, in dem neben Programmen aus den Partnerregionen ggf. auch ein eigenständiges interregionales Angebot terrestrisch verbreitet werden könnte. Auch in Bezug auf einen audiovisuellen Beitrag zur Entwicklung einer interregionalen Identität wird es nachhaltige Fortschritte wohl nur auf digitalem Wege geben. Je stärker auch unter den Vorzeichen der sich entwickelnden französischen Region Grand Est Europa im Kleinen in seinem geographischen Herzen mit und rund um das Saarland zusammenwächst, umso mehr erscheint auch eine digitale Förderung des interregionalen Kommunikationsraumes nicht nur politisch und gesellschaftlich sinnvoll, sondern auch ökonomisch darstellbar. Die LMS wird sich deshalb weiter um eine Förderung der Digitalisierung des terrestrischen Hörfunks auch im Kontakt mit Medienunternehmen und Regulierungsbehörden in der Großregion
einsetzen.

Auch vor dem Hintergrund, dass das Projekt der Revitalisierung eines privaten saarländischen TV-Angebots aller Voraussicht nach nicht umsetzbar ist, sollte der Fokus auf der Erstellung von WebTV-Abrufangeboten liegen. Es soll geprüft werden, durch welche Maßnahmen neue Angebote und neue Anbieter an den saarländischen Markt zur Stärkung der Meinungsvielfalt herangeführt werden können. Darüber hinaus erscheint die Einrichtung einer Mediathek Saarland auf Basis bestehender Plattformen als niedrigschwelligeres audiovisuelles Angebot aus Sicht der LMS auch zur Sicherung des audiovisuellen Erbes erwägenswert. Eine solche Mediathek könnte als Online-Plattform organisiert sein, die Zugriff bietet auf Sendungen saarländischer Rundfunkveranstalter sowie auf audiovisuelles Material weiterer saarländischer Institutionen und Unternehmen. Die Mediathek könnte damit Berichte aus und über das Saarland bündeln und die Informationen weltweit zur Verfügung stellen. Die Erweiterung einer solchen Mediathek um moderne Darreichungsformen wie über eine App erschiene hier ebenso erwägenswert wie eine geografische Ausdehnung auf die Großregion SaarLorLux im Rahmen der Frankreich-Strategie des Saarlandes und in Anknüpfung an Überlegungen der Santer-Kommission empfehlenswert.

Die LMS erklärt sich bereit, in Fortführung der bewährten Kooperation namentlich in der AG Medienkompetenz an einer Digitalisierungs- und Konvergenzkompetenz-Offensive im Bereich der Vermittlung von Medienkompetenz mitzuwirken und die pädagogische Sensibilität für entsprechende Themenstellungen zu befördern. Mit einem solchen Ansatz würde die LMS in besonderer Weise dazu beitragen, die Förderung Medienkompetenz zu verankern.

Auf Wunsch erstattet die LMS gerne Bericht zur Medienkompetenz im Saarland und regt neue Projekte an bzw. führt eigene durch. Einen Schwerpunkt dabei bildet die Vermittlung von Digitalisierungs- und Konvergenzkompetenz nicht zuletzt auch mit Blick auf neue Herausforderungen, die in Zusammenhang mit der technischen Lenkung von Aufmerksamkeit und Auffindbarkeit stehen, sowie mit Blick auf neue Herausforderungen durch Desinformation, Fake News, Hass und Hetze im Netz. Die LMS erklärt sich im Übrigen bereit, Landtag und Landesregierung bei der nach dem Koalitionsvertrag auf Bundesebene ins Auge genommenen Überarbeitung medien- und netzrechtlich
relevanter Regelwerke auch in den kommenden Jahren mit ihrer Expertise aktiv zu unterstützen.

Die LMS wird zudem auch weiterhin ergänzend zu diesem Vielfaltsbericht in regelmäßigen Abständen kleinere (Zwischen-) Berichte zu aktuellen, für die Medien- und Meinungsvielfalt im Saarland bedeutsamen Entwicklungen erstellen.

 

Der gesamte Vielfaltsbericht der LMS ist hier aufrufbar.