#rollenbilder2020 | Selbstinszenierung weichlicher Influencerinnen in Social Media | Dr. Maya Götz

26.11.2020, ein Beitrag von

Dr. Maya Götz ist Leiterin des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungs-fernsehen des Bayerischen Rundfunks. Das IZI hat eine der weltweit größten Bestandsbibliotheken in diesem Bereich, betreibt Grundlagen- und Trendforschung sowie Sendungsbegleitung, betreut die Medienkompetenzplattformen von ARD, ZDF und Deutschlandradio und veröffentlicht Publikationen.

 

Mediennutzung
Der Zugang zu den neuen Medien wird laut Maya Götz einem Großteil der Kinder noch in der Grundschule ermöglicht. Die Daten zeigen: Bereits ab der 4./5. Klasse haben 75% der Kinder ein Smartphone und ab einem Alter von 12-13 Jahren fast jedes Kind. Damit wird gerne und viel interagiert. Zuschauer*innen ab 14 Jahren nutzen täglich 7 Stunden Medien. Dieser Wert hat in der Pandemie noch deutlich zugenommen. Nimmt man den Durchschnitt aller Schulkinder von der ersten bis zur letzten Klasse, kommt man auf 5,2 Stunden Mediennutzung am Tag.

Aktuelle Daten können auf der Homepage des IZI (www.IZI.de) unter der Rubrik „Grunddaten“ eingesehen oder der aktuellen JIM-Studie (https://www.mpfs.de) entnommen werden.

Phänomen Influencer*innen
Influencer*innen sind Personen, die in den Sozialen Medien einen großen Einfluss haben, Millionen von Menschen folgen ihren Accounts, liken Fotos und teilen Beiträge – mit wirtschaftlichen Folgen. Reichweite lässt sich nämlich monetarisieren, durch Werbung, Kooperationen mit Unternehmen und deren Produktplatzierung. Neue Daten zeigen: In der dritten und vierten Klasse hat jedes dritte Kind eine Lieblings-Youtuber*in oder Instagra-mer*in. Im Alter von 12-13 Jahren ist es sogar die Ausnahme, keine/n Lieblingsinfluencer*in zu haben. Dabei sind die Hauptakteure*innen der Top 100 Kanäle bei YouTube zu 69% männlich und nur zu 29% weiblich. Die Themenbereiche dieser Makro-Influencer*innen umfassen bei Frauen vor allem Beauty, Food und Beziehung sowie Partnerschaft. Bei Männern sind die Themen großflächig verteilt, ganz vorne dabei ist Musik. Ein weiterer Unterschied: 64% der Frauen sehen ihre Influencerinnen-Aktivität als Hobby und nur 22% als Beruf. Bei Männern ist die Tendenz genau umgekehrt. Sie sagen sehr deutlich, dass es ihr Beruf ist und sie damit Geld verdienen. Laut Dr. Götz ein Hinweis darauf, dass Influencerinnen ihre eigene Professionalität verdecken.
(https://malisastiftung.org/wp-content/uploads/Selbstinzenierung-in-den-neuen-Medien.pdf)

Die Selbstinszenierung von Influencerinnen auf Instagram
Eine Bildanalyse zeigt, dass Influencerinnen hauptsächlich Bilder von sich selbst posten. Die Bilder sind meist nicht sexualisiert, jedoch gibt es auch einige, die sehr viel Haut zeigen. Ende 2019 entstand zunehmend der Trend des aufreizenden Körpers, bei dem freizügige Bilder gezeigt werden – vor allem auf der noch relativ jungen Plattform TikTok ein. Sie ist die zurzeit am stärksten in der Nutzungszeit ansteigende App bei Kindern und Jugendlichen, weltweit nutzen etwa 500 Mio. Menschen das Netzwerk. Auch hier ist die Nutzungszeit während der Pandemie stark gestiegen. Über die Hälfte aller 14 bis 15-Jährigen nutzt TikTok. Hier posten Mädchen vor allem Tänze und Lipsync, Jungen vor allem Lipsync und Comedy, jedoch ist auch hier bei den männlichen Nutzern wieder mehr Vielfalt festzustellen.

Die Selbstinszenierung von Influencerinnen auf Instagram und ihre Bedeutung für Mädchen
Wie die JIM-Studie (https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/2019/JIM_2019.pdf) zeigt nutzen 79% der Jungen und 88% der Mädchen im Alter von 16-17 Jahren mindestens wöchentlich Instagram. Die Bildanalysen einer Studie in Kooperation mit der MaLisa-Stiftung zeigen, dass fast alle Bilder der Influencerinnen bestimmten Kategorien zugeordnet werden können: Das ausgestellte Bein, das „zufällig“ überkreuzte Bein, die S-Kurve, die Hand im Haar, der „spontane“ Blick über die Schulter, der sexy Blick, der träumerische Blick in die Ferne und das nette natürliche Mädchen. Die Influencerinnen inszenieren sich mich den gleichen Mustern. (https://malisastiftung.org/wp-content/uploads/Überkreuztes-Bein.pdf)
Repräsentativbefragungen zeigen, was Mädchen auf ihren Bildern wichtig ist: gut gelaunt sein (91%), natürlich (88%) und schlank (81%) auszusehen sind die Spitzenreiter.
Die Hälfte der Mädchen verändert ihre Bilder mit Filtern. Jungen optimieren vor allem ihre Haare und Frisur, bräunen ihre Haut, machen die Schultern breiter und die Arme muskulöser. Mädchen verwenden deutlich mehr Filter. Viele lassen ihre Haut ebenmäßiger aussehen, optimieren Haare und Frisur und machen die Haut gebräunter.
Es ist auch zu sehen, dass Mädchen die Filtertechniken ihrer Influencerinnen nachahmen. Mädchen, die Dagi Bee folgen, bräunen eher die Haut nach und machen sie ebenmäßiger. Mädchen die ihr nicht folgen, tun dies weniger.

Wie Mädchen sich selbst inszenieren
Vielen Mädchen geht es bei ihrer Selbstinszenierung um die Anerkennung von Individualität. Am Anfang posten sie oft Selfies oder lustige Videos. Darauf bekommen sie Rückmeldungen. Sie vergleichen sich mit Influencerinnen, Likes und Kommentaren. Das Problem hierbei: Sie bekommen am meisten Likes und Kommentare auf die Bilder, die so aussehen wie die der Profis. Normale Bilder führen so zu Defiziterleben und Körperunzufriedenheit. Als Folge wird mehr inszeniert und detaillierter verglichen. Es folgt wieder ein Defiziterleben, welches dazu führt, dass Tricks und Filter angewendet werden, um das perfekte Bild zu erschaffen. Laut Individualität sähen wir eine Stereotypisierung, so Dr. Götz.

Selbstinszenierung auf Instagram im Kontext von Essstörung
(IZI in Kooperation mit BFE, Hochschule Landshut und den Schön Kliniken)
77% der Mädchen mit Essstörung sagen, die Selbstinszenierung auf Instagram habe Einfluss auf ihr reales Leben und damit auch auf ihre Krankheit. Es zeigt sich: Mädchen mit Ess-störungen benutzen deutlich mehr Filter. Das Problem hierbei ist, dass sie auf diese Bilder viele Likes bekommen.
Laut den befragten Mädchen gibt es bestimmte Influencerinnen, die einen Einfluss auf ihre Krankheit gehabt haben. Es gibt aber auch Influencerinnen, die Nutzerinnen die Augen öffnen wollen. Sie zeigen sich echt, mit Falten am Bauch oder anderen Körperformen.

Was tun? Medienpädagogische Chancen
Eines der wenigen Dinge, die wirklich helfen, sind Dr. Maya Götz zufolge das Wissen um feministische Inhalte und die Notwendigkeit von Gleichstellung. Wenn Mädchen lernen, Stereotypen zu verstehen, hilft ihnen das. Genauso wie die Möglichkeit, sich pädagogisch begleitet selbst zu artikulieren. Ein Bespiel hierfür ist die Internetseite www.meintestgelände.de. Für Frau Dr. Götz ist es wichtig, Mädchen ihr Selbstbewusstsein wiederzugeben, sie wegzubekommen von den völlig idealisierten, unerreichbaren und allzu perfekten Bildern. Es geht darum, Mädchen wirklich stark zu machen – jenseits ihres Aussehens.